9. November – von Jutta Klose

Jutta Klose

 

In den letzten Tagen wurden immer wieder Leute befragt, was sie am 9. November vor 30 Jahren gemacht und erlebt hatten. Ich erinnere mich dunkel, dass ich vor dem Fernseher saß, mich mit Tränen in den Augen mitfreuen konnte, aber sonst ging mich das nichts an. Ich dachte nur, dass es jetzt noch weniger Wohnungen geben werde und die Mieten steigen. Ich müsste eventuell in eine völlig entvölkerte DDR umziehen. Am nächsten Tag in der Schule erzählte die Sekretärin begeistert, dass sie an der Grenze auf Trabbis geklopft hätten. Na ja. – Dann erinnere ich mich, dass wir auf der Glienicker Brücke standen und guckten. Ich hatte einen Fuß auf dem weißen Grenzstrich. Ein Volkspolizist fragte mich, ob ich einreisen wolle. Nein, wollte ich nicht. ‚Dann treten Sie bitte einen Schritt zurück‘. Das war schon ein irres Erlebnis. – Richtig schön war dann der Besuch in Kleinmachnow, nachdem auch dort ein Übergang geöffnet war. Ein netter Mann hatte mich angerufen und wollte sich mit mir verabreden. Ich schlug Kleinmachnow vor. Das war dann lange Zeit der Ort meiner Sehnsucht. Hier wollte ich wohnen. – Die Jahre danach fuhr ich ständig ‚rüber‘. Meistens in Ausstellungen oder ins Theater. Beim Autofahren stellte ich mich blöd an, geriet in Panik, wenn eine Straßenbahn kam und wurde dauernd angehupt. Grüner Pfeil und so. Und keine Orientierung. – Die großen Glücksgefühle kamen in Petzow auf dem Turm, bei Ella im Wohnzimmer bei Kaffee und Kuchen, auf dem Wandlitzsee im Ruderboot.

30 Jahre Mauerfall. Ich war krank und konnte nichts unternehmen. Aber allein wäre ich ohnehin nirgends hingegangen. Die bunte Wolke habe ich auf dem Smartphone angesehen, die auf Gebäude projizierten Filmaufnahmen sind bekannt. Nichts versäumt? Doch. Ein bisschen Gemeinsamkeit, Gedankenaustausch, geteilte Freude über die vielen neuen Möglichkeiten. Es ist schön, wie es jetzt ist.

5 Jahren vor