Um sich zu beweisen oder um zu zeigen, dass man das schafft und um ein Ziel zu haben. Oder vielleicht für etwas anderes?
Es gibt auch kürzere Wettläufe, aber eine Medaille zu bekommen, auch wenn man nur wenige Kilometer gerannt ist, bedeutet eine große Genugtuung.
Beim letzten Marathon in Lissabon war die Stimmung besonders aufgedreht. Zum leidenschaftlichen portugiesischen Lebenswillen sammelte sich ein festlicher internationaler Ansturm von Leuten, die nach ihren körperlichen, dem Alter entsprechenden Grenzen suchten. Omas und Kinder, Sportler und Amateure, Pärchen und Singles jeden Alters und aller Farben haben sich am Ende Europas zwischen dem Fluss Tago und dem Atlantik Mitte Oktober, genauer gesagt, ein Tag nach Leslie, dem angekündigten Jahrhundertsturm, der glücklicherweise in Portugal nachsichtig war, getroffen, um zu sehen, ob sie das schaffen würden.
Den kleinen und mittleren Marathon hätte man sogar auf der modernen, großartigen Vasco da Gama-Brücke laufen müssen, aber der Katastrophenschutz hatte dann wegen Leslie im letzten Moment die Orte und die Uhrzeiten der Läufe geändert, ohne alle Teilnehmer benachrichtigen zu können.
Trotz des Hurrikans und der Rückschläge waren sie alle am 15. Oktober in der Frühe einfach froh, nur an die Mühe zu denken, als ob der große Schweiß eine Garantie für Glückseligkeit sei.
Dass der Sport ein natürliches Mittel ist, die guten Laune-Hormone zu aktivieren, ist bekannt, aber hier übertrifft die Masseneuphorie sogar das biochemische Wunder.
Hatten sie mit den Nahrungsergänzungsmitteln alle einfach übertrieben? Unter den vielen Marathonläufen, die man sich aussucht zu laufen, hat die Anstrengung in Lissabon einen besonderen Geschmack.
Die poetische Vernachlässigung der Stadt voller Gefühle, der begleitende Fado, der aus den kleinen Lokalen kommt, wo man isst, trinkt und redet und die älteren Frauen, die ihren selbstgemachten Likör vor ihren Haustüren verkaufen, mischen sich zauberhaft zu den flüchtigen Besuchern in den fluoreszierenden Trainingsanzügen , die fröhlich über die steilen Straßen herumhuschen. Wenn sie auf einen Aussichtsplatz kommen und ein Selfie gemacht haben, nehmen sie alle die Straßenbahn 28, um den Rausch des Abstieges und der Kurven mit den alten Holzwagen, beladen mit schwerem Eisen und Sehnsucht zu erleben.
Jeder Straßenbahnfahrer einer kulturellen Hauptstadt, die von Scharen von Touristen belagert wird, bekommt mindestens eine Magenverstimmung. Die Straßenbahnfahrer von Lissabon lächeln gutmütig und wirken fast froh, auch wenn sie diese Leute buchstäblich vor den Füßen haben.
Lissabon hat eine faszinierende Geduld.
( Lektorat von Michaela Schlegel )