Krönender Anfang dieses Blogs ist der Louvre in Abu Dhabi, mit seinem anmutigen Körper aus weißen Quadern, sanft am Meeresufer ausgestreckt und überragt von einer riesigen durchlöcherten silberfarbenen Kuppel.
Dieses Wunderwerk von Jean Nouvel beherbergt berühmte Meisterwerke aus Ost und West sowie eine bemerkenswerte Auswahl an Avantgarde.
Zwischen dem warmen Meer und dem Rand der Wüste entfalten Schönheit der Natur und menschliches Genie einen besonderen Zauber.
Wenn es stimmt, dass die Erkenntnis unseren Geist nur dann dauerhaft berührt, wenn sie von unmittelbarer Sinneswahrnehmung ausgelöst ist, dann bleibt hier nicht viel zu sagen: dieses Werk mit all seinem Inhalt muss man wohl persönlich in Augenschein nehmen.
Der Blog ist dann nutzlos und wir können ihn auch gleich wieder schließen.
Für diejenigen aber, die aus guten Gründen nicht noch heute in die Fernen der arabischen Wüste aufbrechen können, ist gut zu wissen, dass es auf der Erde einen Ort gibt, an dem viele Sichtweisen einander liebevoll begegnen, an dem Leute, Räume und Zeiten verschiedenster Art und Natur beisammen sind.
Einen Ausflug zum Louvre von Abu Dhabi würde man gerne auch all denen verschreiben, die behaupten, entfernte Welten könnten sich niemals treffen, die Diplomatie sei ein Ding der Unmöglichkeit, das Recht immer nur auf einer Seite und allenfalls mit Gewalt zu verteidigen.
Dies ist ein Ort, an dem man sublime Befriedigung empfinden kann, der Hoffnung weckt auf eine Zukunft, in der die Zivilisationen einander mit Respekt begegnen.
Die Schönheit des Gebäudes, innen wie außen, und die lange und ergiebige internationale Zusammenarbeit, die den Bau begleitet hat, können der Menschheit ein schönes Beispiel liefern, eine Gelegenheit zur Verständigung unter den Völkern, zur Überwindung hartnäckiger Vorurteile und der Ängste und Engstirnigkeit, die heute mehr denn je die einen gegen die anderen aufbringt.
Der Louvre von Abu Dhabi war gewollt von aufgeklärten Köpfen mit der Überzeugung, dass Form zugleich Substanz ist, dass Klugheit verbindet und wir angesichts der Grundessenz des Lebens alle derselben Familie angehören. In dieser lichten Eleganz begegnen sich Himmel, Meer, Wüste und prächtige Werke von Künstlern von gestern und heute, von jeder Herkunft das Beste. So wie man seit jeher sich auf dieser Erde begegnet und nie zum Stillstand kommt, so sieht man auch in diesen Räumen keine Grenzen, sondern sanfte und weite Bewegung, wie das Leben in seinem natürlichen Fluss.
Saubere und ebenmäßige Linien, zarte Farben wie beige, taubengrau, hellblau, aber auch das tiefe Blau an der Decke der Cafeteria oder auch einfach schwarz und weiß, all das sorgt dafür, dass man sich auf dieser komplexen Bühne wohl fühlt wie ein willkommener Gast. Der Gang durch die Räume ist angenehm und weckt Interesse. Am meisten beeindruckt von dem großen Gebäudekomplex sicherlich die riesige flache Kuppel aus durchbrochenem Metall. Sie vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit, aber auch von Öffnung und Freiheit, denn durch die vielen Löcher gelangt Luft und Licht ins Innere, mit Schattierung, die dem Lauf des Tages folgen. Man fühlt sich buchstäblich wie unter einem Himmelszelt, wie Nomaden in der Wüste, mit heißen Luftströmen von allen Seiten, doch mit dem Glück, genug Schatten zum Leben zu haben, dazu eine großartige Cafeteria und die großen Ausstellungssäle mit der besten Klimaanlage aller Zeiten. Die silbrige Kuppel, magisch wie aus Tausend und einer Nacht, beherbergt unter sich die weißen Säle, die mit ihrer Anordnung an eine arabische Stadt erinnern.
Die Bereiche des Museums sind durch graue Wege verbunden, die Hitze wird dort durch den filigranen Schatten der Kuppel gemildert. Manchmal fühlt man sich wie auf einer venezianischen Piazza, einem dieser abgelegenen und stillen Plätze, man sitzt auf einer Bank, sieht das Meer herankommen und weich gegen die weißen Mauern der Säle schwappen. Nur die Pfähle, die neben den Gebäuden zum Festmachen der Boote dienen, sind hier ganz neu, gerade und fest. Statt spielender venezianischer Kinder sieht man hier asiatische Bademeister in leuchtend oranger Kleidung und der vertraglichen Verpflichtung, Besucher aus dem Wasser zu fischen, die im Rausch der Extase ins Meer fallen mögen.
Gelegentlich hört man Vögel singen, die frei unter der Kuppel herumfliegen, und die Besucher spazieren elegant über die breiten und warmen Straßen aus hellem Beton. Das Weiß und Grau, das Blau des Meeres und des Himmels treiben durch die zierliche Schönheit.
Venedig hat ein glorioses Alter und findet festen Halt in seinem reichen historischen Rahmen. Dieser Louvre ist wunderbar modern, aber gleichzeitig wie außerhalb jeder Zeit. Die Technik, die den Bau auf dem Meer ermöglicht hat, ist die Frucht langer Arbeit und neuester Erkenntnisse, undenkbar noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Kuppel selbst ist eine Ode auf die angewandte Mathematik. Doch die reinen und essenziellen Formen, die hellen Farbtöne und die großzügige Raumgestaltung verleihen diesem Komplex eine ungeheuere zeitliche Dimension und Blick und Seele einen neuen Horizont.
Übersetzt von Christoph Timpe