Vernissage – von Jutta Klose

Jutta Klose
Foto: Dietrich Graf

Als L. hier noch wohnte, brüllte er mir jedes Mal, wenn er mich sah ‚jehste uff ne Wernisasch?‘ entgegen. Und ich antwortete jedes Mal, ich ginge in eine Ausstellung, erklärte ihm auch,  was das Wort bedeutet. Egal, er blieb bei seiner Formulierung.

Im Haus am Kleistpark gab es eine Eröffnung,  und weil ich um die Ecke wohne, ging ich hin. Vor der Tür standen hunderte Leute, manche mit Sonnenbrille, obwohl es bereits Abend war. Die Feuerwehr hatte die Ausstellung für weitere Besucher gesperrt, oben war es bereits rappelvoll und mehr durften nicht rein. Eine Übertragung durch Lautsprecher funktionierte nicht, man verstand kein Wort. Aber die Leute gingen nicht weg. Was war es, was sie hier festhielt, obwohl sie nichts sehen und hören konnten. Sie blieben, weil sie  unbedingt den Soundso sehen wollten, hörte ich.  – Ich ging nach Hause. –

Am nächsten Tag ging ich wieder hin. Ist nicht gerade schlau, dachte ich, heute werden alle hier sein, die gestern nicht reingekommen sind. Na mal sehen. In der Ausstellung dann gähnende Leere. Niemand da. Ich sah mir alles gründlich an, auch den Film. Die Aufsicht kam und fragt, sind Sie noch einen Moment da, ich müsste was im Büro erledigen. Aber ja, ich passe auf. Und so passte ich auf mich auf, auch während des Films kam niemand. Die Aufsicht kam zurück. Es war niemand da. Dankeschön. Ich ging etwas ratlos nach Hause.

Gestern war die Eröffnung der Laserstein-Ausstellung. Ich war sehr zeitig da, und wir durften schon rein. Ich drehte dreimal die Runde. Sehr schön! Als dann die Reden gehalten wurden, ging ich zur Garderobe und raus. Eine breite Menschenschlange reichte bis zum Fahrdamm. Die Besucher warteten, dass einer rauskam, damit einer reinkonnte. Die Reden werden sie nicht mehr hören, den Eintritt sich aber sicher leisten können. Warum harren sie stehend aus? Morgen und übermorgen sind die Bilder doch viel bequemer zu sehen.

Aber dann ist es ja keine ‚Wernisasch‘ mehr.

6 Jahren vor