Hauskalender für die Küche – von Jutta Klose

Jutta Klose

Ich gehe hin und wieder in den Medienpoint. Wenn ich ein Mathebuch für die 8. Klasse brauche oder einen Italienischkurs suche, den ich noch nicht auswendig kann. Manchmal gibt es Kunstzeitschriften. Oder ich nehme ein Backbuch mit und backe dann doch nur nach Heidruns Rezept. Also da steht vor dem Laden ein Karton mit einem „Hauskalender für die Küche 2003“. Buntes Bild mit Gemüse vorne drauf. Den greife ich mir sofort. Beim flüchtigen Aufschlagen sehe ich in der Blattmitte jeder Seite was Handschriftliches. Ist gedruckt, dachte ich und lese ein paar Zeilen. Es sind aber die Aufzeichnungen einer Frau, die jeden Tag genau Buch geführt hat. Ganz persönliche Sachen über ihren Alltag. Sowas gibt man doch nicht weg. Es wurde wohl die Wohnung aufgelöst, und das Buch ohne hineinzusehen in den Trödel gegeben. Was ist mit der Frau? Ist sie umgezogen oder in einem Heim oder gestorben? Was ist mit ihrem Mann, den sie gepflegt hat? Erst denke ich beim Lesen, sie ist das krasse Gegenteil von mir. So gut bürgerlich, ordentlich und diszipliniert. Aber dann merke ich, ihre Aufzeichnungen ähneln doch sehr den meinen. Wann und wo wir einkaufen waren, wann wir geputzt und die Haare gewaschen haben. Sie backte Brot, ich backe Brötchen.

Beim letzten Tag des Kalenders musste ich schlucken. Sie schrieb: Letzter Tag im Jahr. Arbeit wie gewohnt. Bin sehr traurig. Philipp ist sehr krank. Schläft meistens. Nichts extra zu Mittag. Pellkartoffeln und dazu Dosenfisch. Nachmittags Pfannkuchen und Fernsehen. 21 Uhr ins Bett.

6 Jahren vor