Es steht ein Soldat am Wolgastrand – von Jutta Klose

Jutta Klose
Foto: Albert Dezetter

Ich hab so oft daran gedacht und es auch erzählt, dass die Erinnerung wohl nicht mehr der Wahrheit entspricht. – Wir standen im Waschraum vor den Waschbecken und wuschen unsere Sachen. Ich weiß, dass Edda dabei war, denn sie hatte ihr Kofferradio auf irgendwas raufgestellt, damit es nicht nass wurde, und wir hörten eine Sendung. Und dann wurde wunderschön gesungen, zu einer innigen Musik, wahrscheinlich Geigen oder so. – ‚Es steht ein Soldat am Wolgastrand …‘ Das war so toll, wie wir da standen, wuschen, das Leben noch vor uns – ‚… und er fragt und er klagt …‘ – Wir waren Heimkinder, schon etwas gebeutelt, allein gelassen, verletzt. – ‚Hast du da oben vergessen auch mich, es sehnt doch mein Herz nach Liebe sich …‘ Und wir heulten in die Waschbecken – falls ich mir das nicht nachträglich ausgedacht habe. – Heute habe ich mein schlaues Kästchen das Lied singen lassen. Und wieder hatte ich Tränen in den Augen. Vielleicht weil ich das Leben nun nicht mehr vor mir habe.

6 Jahren vor