Der eine hat ein trautes Heim – von Jutta Klose

Jutta Klose

Der eine hat ein trautes Heim,

der andre traut sich gar nicht heim

‚Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen, wie mit einer Axt.‘      –   Heinrich Zille

In einer Ausstellung in Neukölln habe ich gelesen, dass in Berlin täglich 27 Menschen entmietet werden, d. h. die Wohnung wird geöffnet, der Mieter herausgeholt, sein Hab und Gut entsorgt. Und dann? Vor einigen Jahren haben Demonstranten eine Räumung verhindert. Sie fand dann am nächsten Tag statt. Die Mieterin kam bei Freunden unter. Am folgenden Tag saß sie tot auf einer Parkbank. Herzversagen. Noch länger ist es her, dass eine Frau, die sich immer wieder erfolgreich gegen ihre Kündigung gewehrt hatte, von einem Auftragsmörder getötet wurde. Man hat den Mörder und den Auftraggeber gefunden und verurteilt. Aber die Frau war tot.

Meine Wohnung war derart runtergewirtschaftet, dass sie als ‚nicht vermietbar‘ galt. Frau Z. hat sich dafür eingesetzt, dass ich sie trotzdem bekam. Es fehlten Fensterscheiben und Türen,    die Böden waren durchgefault, in den Wänden große Löcher. Ich will nicht erzählen, wie schlimm die Wohnung war, sondern wie   s c h ö n .  Die Wohnung war warm, hell, trocken und aus dem Hahn kam warmes Wasser. Toll! Die Sonne schien rein. Mein Nachbar riet mir zu Sonnenschutzgardinen. O nein, lieber ließ ich die Bücher vergilben. Die alten Heizkörper wurden richtig heiß, der im Balkonzimmer zwar nicht, aber was machte das schon. Später wurden dann das Klo und die mit Farbe verschmierte Badewanne angeschlossen. Die hatten die Vormieter auf den Flur gestellt, warum auch immer. Aber das war alles nicht so schlimm. Und ich hatte so einen netten Nachbarn. Er kannte mich, weil ich Jahre vorher schon in dem Haus in Pflege war. Bei ihm durfte ich auf die Toilette, baden, die Haare waschen, fernsehen und mit ihm einen Sherry trinken. Von ihm bekam ich meinen zweiten Simmel. Es muss nicht immer Kaviar sein.

Inzwischen wohne ich von allen Mietern am längsten hier. Gefühlt bin ich in dieser Wohnung wieder obdachlos und sehne mich unendlich nach einem Zuhause, wo ich gern bin und bleiben kann. Da hänge ich dann die Brettchen wieder an die Wand, befestige das schöne Türschild, kann Gardinen anbringen, jede Nacht schlafen, nach Herzenslust kochen und backen, einen Tiefkühlschrank kaufen, es mir schön machen. Alles schier…

V i e l l e i c h t   schmeiße ich dafür etwas Krempel weg.

6 Jahren vor